Der Bedarf an Transkulturellen Psychosomatik wächst - Klinik in Donaueschingen deutschlandweit Vorreiter
18.01.2023
An psychosomatischen Krankheiten kann jeder Mensch erkranken, selbstverständlich auch Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Recht auf Behandlung in einer anderen Sprache als Deutsch gibt es aber in Deutschland nicht. Dabei sei der Bedarf enorm, wie Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, Fachlicher Leiter der Transkulturellen Abteilung der Mediclin am Vogelsang in Donaueschingen, mir erklärte.
Hilfe sei für diese Menschen oft nur sehr schwer zu erhalten, da viele Einwanderer die deutsche Sprache nicht in einem für eine Behandlung erforderlichen Maße beherrschten. Genau deshalb ist es wichtig ein spezielles Therapieangebot für diese Menschen in Donaueschingen bereitstellen: Das Konzept der Transkulturellen Psychosomatik geht auf die Verschiedenheiten der Patienten ein. Sprache, Religion und kulturelle Unterschiede werden bei der Therapie berücksichtigt. Der Bedarf an einer solchen Hilfe sei aufgrund der Vielzahl von aus Krisengebieten Geflohenen in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Das zeigt sich beispielsweise an den Êzîden. Kizilhan hatte mir bereits zuvor aus seiner Erfahrung mit diesen berichtet, im Rahmen einer Anhörung des Bundestags zur Anerkennung des Völkermords an der Religionsgemeinschaft. Viele Êzîden waren durch die Gewalttaten der IS-Terrormiliz traumatisiert nach Deutschland geflohen. Ohne angemessene Hilfe in ihrer Sprache blieben diese jedoch zwangsläufig mit ihren Problemen alleine. „Die Anerkennung des Völkermordes erfolgt zum Glück sehr zeitnah, und ich bin stolz, für die SPD daran federführend mitgewirkt zu haben“, betonte ich. Ein solcher Entschluss werde den Êzîden in Deutschland den rechtlichen Zugang zu Hilfe erleichtern und sei auch ein wichtiges Signal für die Traumatisierten, zeigte sich auch Kizilhan überzeugt.
Doch auch andere Einwanderer und sogenannte Gastarbeiter seien in der Vergangenheit oft schlecht bis gar nicht in die Gesellschaft integriert worden, sodass auch sie oft unter den Sprachbarrieren litten. "Ein Gastarbeiter, der mit Anfang 20 zum Arbeiten nach Deutschland kam und seitdem ununterbrochen gearbeitet hat, kann mit Anfang 60 plötzlich arbeitslos werden. Er fällt dann genauso wie jeder andere in ein psychisches Loch, kann sich aber oft nicht mit Fachärzten verständigen. Fast alle Therapeuten fallen deshalb für ihn weg", erläuterte Kizilhan.
Die Personen, die in der Klinik behandelt werden, kämen daher aus ganz Deutschland. Transkulturelle Therapieangebote seien in Deutschland ansonsten kaum vorhanden. „Ein Zustand, der angesichts des wachsenden Bedarfs verbessert werden muss“, zeigen sich Kizilhan und ich daher überzeugt.